743 S., ISBN 978-3-89427-710-9

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Savitri

Legende und Sinnbild

Die lange erwartete deutsche Fassung des poetischen Hauptwerkes Sri Aurobindos in der Übertragung von Heinz Kappes (unter redaktioneller Mitarbeit und Verantwortung von Rolf Hinder)

"Savitri" ist das eigentliche Lebenswerk Sri Aurobindos. Er schrieb über 40 Jahre daran und arbeitete es mehrmals komplett um. Kurz vor seinem Tod 1950 beendete er es. Die Mutter sagte über "Savitri": "Lies ein paar Zeilen, und das genügt, um einen Kontakt mit deinem innersten Wesen herzustellen . . . Sri Aurobindo hat das ganze Weltall in ein einziges Buch gepackt. Alles ist darin, Mystik, Okkultismus, Philosophie, die Geschichte der Schöpfung, die des Menschen, der Götter, der Natur, wie die Welt geschaffen wurde, warum, zu welcher Bestimmung. Alle Geheimnisse, die der Mensch besitzt, und auch alle, die in Zukunft auf ihn warten, sind in den Tiefen von ,Savitri' zu finden. ,Savitri' ist eine Meditation, eine Suche nach dem Unendlichen, dem Ewigen. Liest man es mit der Sehnsucht nach Unsterblichkeit, dann dient das Lesen selbst als Führer zur Unsterblichkeit . . . Sri Aurobindo gibt hier den Schlüssel, die Wahrheit zu finden, das Bewußtsein zu entdecken . . . Er zeigt den Weg, sogar die Erfahrung des Sieges über den Tod."

"Die Legende von Satyavan und Savitri wird im Mahabharata erzählt als Gleichnis von der ehelichen Liebe, die den Tod besiegt. Satyavan ist die Seele, die die göttliche Wahrheit des Seins, herabgestiegen in die Gewalt von Tod und Unwissenheit, in sich trägt. Savitri ist das göttliche Wort, die Tochter der Sonne, die Gottheit der Höchsten Wahrheit, die herabkommt und geboren wurde für das Heil. Aswapati, der Herr des Pferdes, ihr menschlicher Vater, ist der Herr von Tapasya, jener konzentrierten Energie spirituellen Bemühens, das uns hilft, uns aus den Ebenen der Sterblichkeit zum Unsterblichen zu erheben. Dyumatsena, der Herr der Heerscharen, Vater von Satyavan, ist das göttliche Bewußtsein, das hier blind geworden ist, sein himmlisches Königtum und damit das seines Ruhmes verliert. Doch dies ist keine bloße Allegorie, die Mitwirkenden sind nicht personifizierte Eigenschaften, sondern Inkarnationen oder Emanationen lebendiger und bewußter Kräfte, mit denen wir konkret in Berührung kommen können. Sie nehmen menschliche Gestalt an, um dem Menschen zu helfen und ihm den Weg von seiner sterblichen Verfassung zu einem göttlichen Bewußtsein und unsterblichen Leben zu zeigen." -- Sri Aurobindo


Canto 1

Das Sinnbild Morgendämmerung

Es war die Stunde, ehe die Götter erwachen.
Den Pfad des göttlichen Ereignisses versperrend lag
das die Zukunft ahnende gewaltige Mental der Nacht allein
in seinem unerhellten Tempel der Ewigkeit,
bewegungslos am Saum des Schweigens hingestreckt.
Fast fühlte man, dunkel und undurchdringlich,
im finstern Zeichen seines augenlosen Sinnens
den Abgrund jenes unverkörperten Unendlichen.
Ein Nichts erfüllte - unergründlich - diese Welt.
Im Zwischenraum des ersten und des letzten Nichtseins wach,
erinnerte sich eine Macht gefallenen und grenzenlosen
Selbsts an jenen dunklen Schoß, aus dem sie kam,
wandte sich ab vom unauflösbaren Mysterium der Geburt
und jenem langsamen Prozeß der Sterblichkeit
und sehnte sich nach ihrem Ende in inhaltslosem Nichts.
Gleich wie im dunklen Anfang aller Dinge umfing
des Unbekannten stummes, formloses Abbild -
dabei den unbewußten Akt für immer wiederholend
und so für immer nicht-sehenden Willen verlängernd -
die kosmische Schlaftrunkenheit der unwissenden Kraft,
deren erregter schöpferischer Schlummer die Sonnen zündet,
und in nachtwandlerischem Wirbel unser Leben trägt.
Durch die vergebliche und ungeheuere Ekstase des Raumes,
seine gestaltlose Stumpfheit ohne Leben und Mental
kreiste die Erde, verlassen in den sinnlosen Wirbeln,
indem sie durch die seelenlose Leere einen Schatten spann,
noch einmal zurückgeworfen in undenkbare Träume,
ihren Geist und ihr Geschick vergessend.
Die teilnahmslosen Himmel waren unparteiisch, leer und still.
Dann rührte sich ein Etwas in der rätselhaften Finsternis.
Wie namenlose Regung, unersonnene Idee,
beharrlich, unbefriedigt, ohne Absicht,
schürte ein Etwas, das zu sein verlangte, doch nicht wußte, wie,
das Unbewußte, um Unwissenheit zu wecken.
Es setzte eine Wehe ein, die ihre Spuren zitternd hinterließ
und einem alten, müden, unerfüllten Sehnen Raum gab,
das friedlich in der mondlosen Grotte des Unterbewußten lag,
daß es sein Haupt erhob und Ausschau hielt nach abwesendem Licht,
indem es die geschlossnen Augen entschwundener Erinnerung berührte
wie jemand, der ein längst vergangnes Selbst zu finden sucht
und nur den toten Körper seiner Sehnsucht findet.
Es war, als ob gerade in der Tiefe dieses Nichts,
sogar im Kerne dieser äußersten Vernichtung,
ein unerinnerliches Wesen lauerte, das sein Gedächtnis eingebüßt,
das Überlebende der toten und begrabenen Vergangenheit,
dazu verurteilt, das Ringen und die Schmerzen wieder aufzunehmen,
in einer anderen getäuschten Welt erneut zu leben.
Ein ungestaltetes Bewußtsein sehnte sich nach Licht,
ein leeres Zukunftswissen schmachtete nach ferner Wandlung.
Wie wenn der Finger eines Kindes sich auf die Wange legt
und so die unachtsame Mutter dieses Universums
an das unaufhörliche Bedürfnis nach den Dingen mahnt,
so klammerte ein zartes Sehnen sich an die düstre Weite.
Kaum fühlbar fing es irgendwo hervorzubrechen an:
Eine einsame lange Linie von verhaltner Färbung,
dem zagen Lächeln gleich, das ein verlassnes Herz verlockt,
behelligte den fernen Saum des düstern Lebensschlafs.
Von einer anderen Seite der Grenzenlosigkeit gekommen,
durchdrang der Gottheit Auge diese stummen Tiefen.
Ein Fährtensucher auf Erkundung von der Sonne her
erschien es inmitten der lastenden kosmischen Ruhe,
in der Erstarrung einer kranken, müden Welt,
um nach dem Geist zu suchen, der verzweifelt war und einsam,
zu tief gefallen, um der vergessnen Seligkeit sich zu erinnern.
Es drang in dieses mentallose Weltall ein,
und seine Botschaft kroch durch abgeneigtes Schweigen
und rief zum Abenteuer des Bewußtseins und zur Freude auf.
Im Siege über der Natur ernüchtertes Herz
erzwang es die erneute Zustimmung, zu sehn und zu empfinden.
Gesät ward ein Gedanke in die unerforschte Leere,
ein Sinn wurde geboren in der Tiefe dieser Finsternis.
Es zitterte Erinnerung im Herzen der Zeit, wie wenn
eine längst verstorbene Seele angeregt würde zu leben:
Doch hatte das Vergessen, das dem Falle folgt,
die Schrift der engbeschriebnen Tafeln der Vergangenheit getilgt.
Und alles, was vernichtet war, muß neu errichtet,
die frühere Erfahrung muß erneut errungen werden.
Das alles kann geschehen, wenn Gott die Dinge anrührt.
Es stahl sich Hoffnung ein in das, was kaum noch wagte,
inmitten der verlornen Gleichgültigkeit der Nacht zu sein.
Wie wenn es dringend hergebeten wäre in eine fremde Welt,
so kam es zaghaft, unwillkürlich wagemutig,
verwaist, hinausgetrieben, sich ein Heim zu suchen,
umherziehend, ein Wunderwesen ohne Wohnstatt,
hinein in eine entlegene Himmelsecke
als zarter Anruf einer zögernd wundersamen Geste.
Die dauernde Erregung einer umgestaltenden Berührung
bezwang die träge schwarze Stille,
und Schönheit und Erstaunliches verwirrten die Gefilde Gottes.
Es baute im Vorübergleiten eine Hand aus blassem zauberhaftem Licht,
das an dem Rand von einem rasch entschwindenden Moment erglühte,
ein Tor aus Träumen, halb geöffnet hin zum Bannkreis des Mysteriums,
mit goldner Füllung und schimmernden Angeln.
Die einzige erhellte Ecke, die ein Fenster war für die verborgnen Dinge,
sie zwang die blinde Unermeßlichkeit der Welt zum Sehen.
Die Finsternis verging und glitt hinab gleich fallendem Gewand
von dem zurückgelehnten Körper eines Gottes.
Dann wurden durch den blassen Spalt, der anfänglich
kaum groß genug schien, etwas Sonnenlicht hindurchzulassen,
die Offenbarung und die Flamme ausgegossen.
Von oben her erschien erneut das kurze ständige Signal.
Aus unerreichten transzendenten Welten kam ein Leuchten,
das von der Herrlichkeit des Ungeschauten schillerte,
als Botschaft aus unsterblichem und unbekanntem Licht
hell lodernd auf dem tief erregten Rand der Schöpfung.
Der Morgen bildete aus wunderbaren Farben ihre Aura
und senkte ihre Saat erhabner Größe in die Stunden ein.
Als der Besucher eines Augenblicks erschien die Gottheit.
Für eine Weile hielt sich die Vision am dünnen Rand des Lebens,
gebeugt über die sinnende gewölbte Stirn der Erde.
Sie übertrug die längst vergangene Schönheit und Seligkeit
in Farben-Hieroglyphen einer mystischen Bedeutung
und schrieb die Zeichen des bedeutungsvollen Mythos nieder,
der von der Größe jener Morgendämmerung des Geistes sprach,
ein Kodex, strahlend aufgezeichnet auf des Firmamentes Seiten.
Fast ward an jenem Tag die göttliche Epiphanie enthüllt,
von der unsre Gedanken und Erwartungen die Lichtsignale sind;
fast wurde ein einsamer Glanz vom unsichtbaren Ziel
hinabgeschleudert in das undurchdringlich Leere.
Wieder einmal verwirrte hier ein Schritt die öden Weiten.
Die Mitte der Unendlichkeit, ein Angesicht verzückter Ruhe,
trennte ewige Augenlider, die den Himmel öffnen.
Eine Gestalt entfernter Seligkeiten schien zu nahen.
Als die Gesandte zwischen Ewigkeit und Wechsel,
neigte die Gottheit sich, allwissend, über diese Breiten,
die uns der Sterne schicksalhafte Bahnen verhüllen,
und fand die Räume für ihre Füße zubereitet.
Noch einmal sah sie sich halb um nach ihrer nun verhüllten Sonne,
dann ging sie voll Gedanken an ihr unsterbliches Werk.
Des Unvergänglichen Vorübergehen empfand die Erde:
Ihrer Natur hellwaches Ohr vernahm die Schritte,
die Weite wandte ihm ihr grenzenloses Auge zu,
und auf versiegelte Abgründe ausgegossen, brachte
ihr leuchtendes Lächeln nun das Schweigen dieser Welten zum Entflammen.
Alles gedieh zu einer Anbetung und feierlichen Handlung.
Die Luft ward zum schwingenden Bindeglied zwischen Himmel und Erde.
Mit weiten Flügeln stieg der Hymnus priesterlich hehren Windes
empor, um auf den Hügeln der Altäre zu verwehen.
Die hohen Zweige beteten im sich offenbarenden Firmament.
Wo unsre halberleuchtete Unwissenheit an jene Schlünde grenzt,
am stummen Busen der vieldeutig-dunklen Erde,
hier, wo man nicht einmal den nächsten Schritt erkennt,
wo Wahrheit auf des Zweifels schattenhaftem Rücken thront,
auf diesem Feld des Mühens voller Angst und Ungewißheit,
das unter einem weiten teilnahmslosen Blick gebreitet liegt,
ertrug als unbefangner Zeuge unsrer Freude, unsres Leids,
unser erschöpfter Boden den erweckenden Strahl.
Und hier entzündeten prophetische Erleuchtung und Vision
gewöhnliche, bedeutungslose Formen zu ungewöhnlichen Ereignissen.
Dann war die göttliche Inspiration verausgabt und zog sich,
unerwünscht, zurück, verschwand aus dem Bereich des Sterblichen.
Ein heiliges Verlangen folgte ihrer Spur
als die Verehrung einer Gegenwart und Macht, die aber zu
vollkommen war, als daß sie von gebundnem Herzen gehalten werden konnte;
Vorahnung einer wunderbaren künftigen Geburt.
Nur kurze Zeit kann dieses Gotteslicht hier bleiben.
Des Geistes Schönheit, die das menschliche Blickfeld erleuchtet,
umsäumt mit ihrer Leidenschaft und dem Geheimnis die Maske der Materie,
und sie verschwendet Ewigkeit an den Minutentakt der Zeit.
Wie wenn sich eine Seele der Geburtenschwelle nähert
und so der Zeitenlosigkeit sterbliche Zeit hinzufügt,
und wie ein Funke dieser Göttlichkeit verloren ging in der Materie Krypta,
wobei sein Glänzen in den unbewußten Ebenen verblaßt,
so ward hier diese, nur vorübergehnde Glut magischen Feuers
jetzt aufgelöst in helle altgewohnte Luft.
Die Botschaft ist verstummt, verschwunden ist der Bote.
Der einmalige Ruf, die Macht ohne Begleitung,
entrückten in die weit-entlegene geheime Welt.
Farbspiel und Wunder dieses überirdischen Strahls:
Sie schaute nicht mehr hin auf unsre Sterblichkeit.
Das Übermaß an Schönheit, von Natur dem Gotteswesen eigen,
vermochte nicht den Anspruch an die zeitgebornen Augen durchzuhalten.
Weil sie zu mystisch-wirklich war, als daß der Raum sie hätte halten können,
wurde ihr Leib gelöscht von Herrlichkeiten aus dem Himmel:
Die wunderbare, seltene Erscheinung lebte nicht mehr.
Es herrschte nur das allgemeine Licht irdischen Tags.
Und freigegeben von dem Ausruhn von der Müdigkeit
folgte erneut der Lärm der Lebenseile
den Zyklen seines blinden Strebens.
Es rannten alle hin zu ihrer unveränderlichen Alltagsarbeit;
die Tausende Geschöpfe, die den Boden und den Baum bevölkern,
gehorchten jenem Drängen des Augenblicks, der nichts voraussieht,
und auch der Mensch, hier Führer mit dem unverläßlichen Mental,
der einzige, der auf der Zukunft ihm verhülltes Antlitz starrt,
er hob die Bürde seines Schicksals auf.

Auch Savitri erwachte unter diesen Stämmen,
die eilten, sich dem Ruf des hellen Boten anzuschließen,
und die, verführt von der Schönheit sichtbarer Wege,
begeistert ihren Anteil an der Eintagsfreude begrüßten.
Der Ewigkeit verwandt, aus der sie herkam,
nahm sie nicht teil an diesem kleinen Glück;
auf dieses gab der Gast, im menschlichen Gefilde machtvoller Fremdling,
der im Inneren verkörpert ist, nicht Antwort.
Der Ruf, der sonst den Sprung im menschlichen Mental auslöst,
den bunten eifrigen Antrieb zum Tätigsein,
das farbig-flatterhafte Trugbild des Begehrens,
besuchte ihr Herz nur wie ein süßer fremder Ton.
Die Zeit-Botschaft flüchtigen Lichts war nichts für sie.
In ihr war die Bedrängnis jener Götter, die gefangen sind
in unserer vergänglichen Gestalt als Mensch,
das Todlose, dem Tod der Dinge unterworfen.
Einst war die Freude einer größeren Natur ihr eigen,
doch konnte diese ihren goldnen Himmelsglanz sich nicht lange erhalten,
nicht fortbestehn auf diesem spröden Fundament der Erde.
Das Leben, eine enge Regung auf dem tiefen Abgrunde der Zeit,
es wies in seiner Kleinheit und Gebrechlichkeit die Macht ab,
jene stolze und bewußte Weite und die Seligkeit,
die es einst mit sich brachte in die menschliche Gestalt,
die stille Freude, die eine Seele allen anderen anvermählt,
den Schlüssel zu den Flammentoren der Verzückung.
Der Erde Samenkorn, das jenen Saft von Lust und Tränen braucht,
wies ab die Gnadengabe unsterblicher Wonne.
Der Tochter der Unendlichkeit bot es dafür
die Blume der Passion der Liebe und des Untergangs.
Vergeblich schien dies wunderbare Opfer nun erbracht zu sein.
Verschwenderisch in ihrer reichen Göttlichkeit, hat sie
ihr Selbst und alles, was sie war, den Menschen hingegeben,
voll Hoffnung, diesen so ihr höheres Wesen einzupflanzen,
einzugewöhnen diesem Leben ihrer Körper,
damit der Himmel in den sterblichen Gefilden heimisch werde.
Hart ist's, die Erdnatur zur Wandlung zu bereden.
Das Sterbliche erträgt nur schwer des Ewigen Berührung:
Es fürchtet jene göttlich reine Unduldsamkeit
solch eines Ansturmes von Äther und von Feuer;
mit Widerreden weist es ihre kummerlosen Freuden ab
und fast mit Haß stößt es das Licht zurück, das sie ihm bringt.
Vor ihrer Wahrheit nackter Macht zittert es ebenso
wie vor der reinen Stimme ihrer Kraft und Lieblichkeit.
Den Höhen legt es leidvoll das Gesetz des Abgrunds auf,
mit seinem Schmutz besudelt es des Himmels Boten:
Dornen seiner gefallenen Natur sind die Verteidigung,
die es der Retterhand der Gnade entgegenhält.
Den Söhnen Gottes tritt es gar mit Tod und Leid entgegen.
Die Erdenszene ward durchzuckt von einer Herrlichkeit von Blitzen.
Doch deren sonnenhelles Denken schwand dahin, verdunkelt von unwissendem Mental;
ihr Wirken ward betrogen und ihr Gutes in Böses umgewandelt.
Das Kreuz war die Bezahlung für die Krone, die sie gaben.
Nur einen wunderbaren Namen hinterlassen sie.
Ein Feuer ist gekommen, hat der Menschen Herz berührt und ist gegangen;
entflammen und erheben zu höherem Leben ließen sich nur wenige.
Zu ungleich war die Welt ihr, die zu retten und zu helfen kam,
und ihre Größe lastete auf deren einfältiger Brust,
drum quoll aus ihren finstern Schlünden schreckliche Gegengabe auf,
ein Teil von ihrem Leiden, ihrem Ringen, ihrem Fall.
Zu leben mit dem Kummer, und dem Tod auf ihrem Wege zu begegnen, -
dies Los der Sterblichen ward der Unsterblichen zuteil.
So eingefangen in den Mechanismus irdischer Geschicke
und auf die Stunde ihrer Feuerprobe wartend, harrte sie aus
und nahm, aus eingeborener Glückseligkeit verbannt,
das finstere Gewand irdischen Lebens an.
Und sie verbarg sich selbst vor denen, die sie liebte.
Die Göttlichkeit ward nur noch größer durch das menschliche Geschick.
Ein dunkles Zukunftswissen trennte sie von allen,
für die sie Stern und Beistand war.
Zu groß, um Kummer und Gefahr laut kundzutun,
behielt in gramzerrissnen Tiefen sie ihr künftiges Verhängnis.
Wie einer der der Hüter blinder Menschen ist,
die Last von einer ahnungslosen Menschheit auf sich nimmt
und einen Feind beherbergt, den er am Herzen nähren muß,
der Tat nach unbekannt, unbekannt auch das Verhängnis, das sie vor sich sah,
und ohne Hilfe mußte sie nach vorne schauen, sich fürchten und wagen.
Nun war der lang vorausgewußte und verhängnisvolle Morgen da,
der einen Mittag brachte, der erschien wie jeder andere Mittag.
Denn machtvoll schreitet die Natur auf ihrem Wege fort,
nicht achtend einer Seele, eines Lebens, die sie zerbricht.
Erschlagenes läßt sie zurück und schreitet weiter:
Allein der Mensch und Gottes all-sehendes Auge bemerken es.
Doch selbst im Augenblicke der Verzweiflung ihrer Seele,
in dieser grimmigen Begegnung mit dem Tod und mit der Angst,
entrang kein Schrei sich ihren Lippen und kein Ruf nach Hilfe.
Sie sagte niemand das Geheimnis ihres Wehs:
Ganz ruhig blieb ihr Antlitz, und ihr Mut hielt sie stumm.
Es war allein ihr äußerliches Selbst, das litt und kämpfte;
selbst ihre Menschlichkeit war halb vergöttlicht,
ihr Geist ward offen für den Geist in allen,
ihr Wesen fühlte alles Wesen als ihr eigenes.
Als Abgesonderte, im Innern lebend, trug sie alle Leben in sich,
erhaben barg sie in sich alle Welt.
In ihrer Angst war sie geeint mit jener großen Angst des Kosmos,
doch ihre Stärke war gegründet auf des Kosmos Mächte;
die Liebe der allumfassenden Mutter war ihr eigen.
Gegen das Übel an des Lebens angegriffnen Wurzeln,
mit ihrem eignen Elend als besonderem Zeichen,
schmiedete sie aus ihren Schmerzen ein mystisch-geschliffnes Schwert.
Ein einsames Mental, ein weltenweites Herz
erhob sie zum alleinigen, dem ungeteilten Werke des Unsterblichen.
Am Anfang kümmerte das Leben sie noch nicht in ihrer sorgenschweren Brust:
Noch ruhte es ihm Schoße ursprünglicher Schläfrigkeit der Erde
dumpf-träge, in Vergeßlichkeit entlassen,
am Rande des Mentals, noch unbewußt und lässig hingestreckt,
so ruhig und abgestumpft wie Stein und Stern.
In einer tiefen Kluft von Schweigen zwischen zwei Bereichen,
lag sie, von Kummer weit entfernt, von Sorge nicht zerrissen,
und nichts erinnerte sie an das Leiden hier.
Dann regte sich langsam und schattengleich ein zaghaftes Erinnern,
und seufzend legte sie die Hand auf ihren Busen
und fühlte den Schmerz ganz nahe und bedrohlich,
tief, ruhig, alt und heimisch an seinem Platz,
doch wußte sie noch nicht, warum er da war und woher er kam.
Noch war die Macht, die das Mental erhellt, zurückgezogen:
Schwerfällig und unwillig waren die Bediensteten des Lebens
wie Arbeiter mit einem Lohn, der keine Freude macht.
Der Sinne Fackel lehnte es verdrossen ab, zu brennen,
und das Gehirn fand ohne Hilfe nicht die eigene Vergangenheit.
Nur eine vage Erd-Natur hielt diesen Rahmen noch zusammen.
Jetzt aber regte sie sich, und ihr Leben nahm an der Last des Kosmos teil.
Von ihres Körpers stimmelosem Anruf aufgefordert
fand ihr machtvoller Geist auf weiten Schwingen seinen Weg
zurück zum Joch von Schicksal und Einfältigkeit,
zurück zur Arbeit und dem Druck sterblicher Tage,
sich seinen Pfad erleuchtend durch seltsame Sinnbild-Träume,
durch das Verebben jener Meere ihres Schlafs.
Ihr Haus, das zur Natur gehörte, fühlte unsichtbares Wehen,
des Lebens dunkle Räume wurden rasch erleuchtet,
und der Erinnrung Fensterflügel öffneten sich Stunden,
des Denkens müde Füße näherten sich ihren Türen.
Es kamen alle wieder zu ihr: Erde, Liebe und Verhängnis,
die Rechthaber aus alten Zeiten kreisten um sie
wie riesige Gestalten, miteinander ringend in der Nacht:
Die Gottheiten, geboren aus dem finstern Unbewußten,
erwachten jetzt zum Kämpfen und zum göttlichen Erleiden,
und in dem Schatten ihres hell-entflammten Herzens
im dunklen Mittelpunkt der schrecklichen Debatte,
sah sie ein Wächter jenes unversöhnten Abgrunds an,
ein Erbe jenes langen Leidenskampfs des Erdballs.
Still wie ein Stein, Verkörperung von göttlich-hohem Schmerz,
starrte er in den Raum mit unbewegtem, gleichgültigem Blick,
der zwar des Elends zeitenlose Tiefen sah, wohl aber nicht des Lebens Ziel.
Bedrückt durch seine strenge Göttlichkeit,
an seinen Thron gebunden, harrte er unversöhnt
der täglich neuen Opfergabe ihrer ungeweinten Tränen.
Die Frage nach dem Sinn menschlicher Stunden lebte wieder auf.
Das Opfer, das die Erde an Leiden und Begehren
darbringt an die unsterbliche Ekstase,
begann von neuem unter der ewigen Hand.
Vollwach erduldete Savitri dieser Augenblicke streng formierten Aufmarsch
und blickte auf die grüne, lächelnde, gefahrenvolle Welt
und hörte dem unwissenden Ruf der lebendigen Dinge zu.
Inmitten dieser einfachen Klänge in der unveränderten Szenerie
stieg ihre Seele empor und stellte sich Schicksal und Zeit entgegen.
Im Innern war sie unbewegt und sammelte sie Kraft.
Dies war der Tag, da Satyavan sterben mußte.